[Silke Wehr Rappo]
Zusammenfassung
Diese Prüfungsform ist in allen Fächern möglich. Zum Themengebiet werden offene Fragen gestellt, die von den Studierenden beantwortet werden müssen. Die Auswertung ist eher aufwendig und häufig nicht ganz objektiv möglich.
Passt die Prüfungsform zu den angestrebten Lernergebnissen?
Die Prüfungsform muss so gewählt werden, dass die angestrebten Kompetenzen bestmöglich beurteilt werden können. In schriftlichen Klausuren kann die Reproduktion von Wissen abgefragt, aber auch komplexere Problemlösefähigkeiten und Anwendungswissen können hierbei deutlich werden.
Passendes Anspruchsniveau für Klausurfragen wählen
Wichtig ist, dass die Klausurfragen die in der Lehrveranstaltung anvisierten learning outcomes überprüfen. Diese müssen aus den übergeordneten Ausbildungszielen abgeleitet sein. Bei den learning outcomes sind verschiedene Anspruchsniveaus zu unterscheiden. Die learning outcomes sind so zu formulieren, dass nicht nur das "Was" (Inhalte), sondern auch das "Wie" der Qualifikation deutlich wird. Bei der Formulierung der Lernergebnisse bedarf es Verben, die benennen, durch welches Verhalten sich ein erfolgreicher Kompetenzerwerb zeigt. Beispielsweise ist das Lernziel "Die Studierenden kennen die wichtigsten Spracherwerbstheorien" weniger gut operationalisierbar als das Lernziel "Die Studierenden können die drei wichtigsten Spracherwerbstheorien benennen und erklären" (Wehr 2007, S. 190).
Transparenz der learning outcomes und Beurteilungskriterien
Wichtig für erfolgreiches Lernen von Studierenden ist nicht nur die Transparenz der learning outcomes (Lernziele), sondern auch der Beurteilungskriterien (Hattie 2011). Beides ist zu Beginn der Lehrveranstaltung den Studierenden zu kommunizieren. Die Studierenden sollten zudem darüber informiert werden, ob die ganze Breite der behandelten Inhalte Gegenstand der Klausur ist, welche Literatur zur Prüfungsvorbereitung geeignet ist oder ob sogar Literatur während der Prüfung konsultiert werden kann (open-book-Prüfung).
Beispiel für die Überprüfung von Problemlösekompetenzen
Anhand eines Fallbeispiels (Videoaufnahme) eines sprachgestörten Kindes muss eine Sprachdiagnose gestellt und therapeutische Massnahmen vorgeschlagen werden. Die Fallanalyse kann anhand folgender Leitfragen erfolgen (Wehr 2007, S. 193):
1. Welche sprachlichen Auffälligkeiten zeigt das Kind?
2. Wie zeigen sich die sprachlichen Auffälligkeiten?
3. Wie kann das Kind in seiner sprachlichen Entwicklung sprachtherapeutisch unterstützt werden?
Anordnung und Breite der Fragen
Die Fragen einer Klausur könnten einen steigenden Schwierigkeitsgrad haben. Auch kann das Anspruchsniveau der Aufgaben variieren. Zu überlegen ist, ob die ganze Breite der behandelten Inhalte in der Klausur abgedeckt werden soll. Wichtig ist, dass die Fragen in einer angemessenen Zeit beantwortbar sind.
Beurteilung der schriftlichen Antworten zur summativen Bewertung von Leistungen
Die Beurteilung der Antworten sollte anhand eines vorgängig erstellten Kriterienrasters erfolgen. Dieses Raster enthält zentrale inhaltliche Aussagen mit den dadurch zu erwerbenden Punkten. Die Notenwerte und zugehörige Punktzahl sollten ebenfalls vor der Prüfung festgelegt werden. Um die Auswertungsobjektivität zu erhöhen, ist bei der Beurteilung von Antworten auf offene Fragen eine Zweitkorrektur durch eine weitere Person zu empfehlen.
Lernstandsdiagnose mit formativem Charakter
Wenn die Prüfungsergebnisse im Plenum besprochen werden, können schriftliche Prüfungen auch formativen Charakter haben. Die Ergebnisse der Prüfung dienen dann nicht nur der Leistungskontrolle, sondern können Ausgang von neuen Lernprozessen sein (Wehr 2007, S. 193).
Literatur:
Hattie, J. (2011): Which Strategies best Enhance Teaching and Learning in Higher Education In: Mashek, D. & Hammer, E. Y. (eds.): Empirical Research in Teaching and Learning, Oxford: Wiley-Blackwell, Kap. 8.
Wehr, S. (2007): Prüfen von Kompetenzen. Fördern durch beurteilen. In: Wehr, S. & Ertel, H. (Hrsg.): Aufbruch in der Hochschullehre. Kompetenzen und Lernende im Zentrum. Beiträge aus der hochschuldidaktischen Praxis. Haupt Bern u.a.: S. 185–197.