[Lydia Rufer, David Graf]
Ziel:
- Mehrere Lehrpersonen und der Student/die Studentin selbst können überprüfen, ob und wie weit die Studentin/der Student für die spätere berufliche Laufbahn zentrale Tätigkeiten beherrscht.
- Die Studierenden erleben sich selber als werdende Professionelle und können ihr eigenes Tun bewerten.
- Insbesondere in medizinischen und pflegerischen Berufen, aber auch in der Lehrer/innenbildung und anderen Berufen, in denen der professionelle kommunikative Umgang mit Menschen und die professionelle Behandlung von Menschen eine zentrale Rolle spielen, sind Bewertungen dieser Tätigkeiten auf der Basis von Videoaufnahmen eigentlich unverzichtbar (idealiter vor der Prüfung als formatives Assessment und am Ende eines Moduls/eines Studiums als summatives).
Voraussetzungen:
- Für eine summative Bewertung sind mehrere beurteilende Personen empfehlenswert (Interrater-Reliabilität). Darüber hinaus müssen die Bewertungskriterien mit den Ausbildungszielen in Zusammenhang stehen und den Studierenden vorab kommuniziert sein.
- Es muss möglichst realitätsnahe Räumlichkeiten für die Ausübung der Tätigkeit geben (idealiter mit der Möglichkeit für eine unauffällige Aufnahme und Beurteilung).
- Möglicherweise sind Schauspieler/innen als Gesprächs- oder Handlungspartner/innen erforderlich.
Ablauf:
- Definieren Sie eine praktische Tätigkeit (Gespräch, Untersuchung, …), die für die Qualifikation der Studierenden als Fachpersonen unabdingbar oder zumindest zentral ist.
- Bestimmen Sie für diese Tätigkeit einen detaillierten Handlungsablauf und definieren Sie, welche Handlungsschritte ablaufen müssen, damit die Tätigkeit vollständig absolviert ist.
- Definieren Sie, worauf Sie bei der Analyse der Tätigkeit besonders achten werden. Bestimmen Sie dafür, in welcher Art und Weise und welcher Qualität die einzelnen Handlungsschritte ablaufen müssen.
- Bei einer summativen Prüfung: Definieren Sie Beurteilungskriterien für die einzelnen Handlungsschritte und gewichten Sie diese, um aus den Teilnoten eine Gesamtnote errechnen zu können.
- Legen Sie ausgehend von den Beobachtungs- und / oder Beurteilungskriterien fest, ob Sie eine Video- oder Audioaufnahme machen werden.
- Definieren Sie einen Zeitraum, in dem die Tätigkeit umgesetzt sein muss.
- Legen Sie fest, welche Materialien, welche Räumlichkeiten und welche technischen Hilfsmittel erforderlich sind und ob Sie eine/n Schauspieler/in als Gegenüber benötigen.
- Teilen Sie den Studierenden die Aufgabe, den Zeitrahmen und auch Ihre Beobachtungs- bzw. Beurteilungskriterien mit.
- Lassen Sie die Studierenden die Tätigkeit ausüben, analysieren und bewerten Sie die Videoaufnahme. Das Tool zur Videoanalyse von SWITCHcast erleichtert die Schritte Analyse und Bewertung enorm (mehr Infos weiter unten).
- Geben Sieden Studierenden Feedback. Im Fall eines summativen Assessments stellen Sie aus den Analysen und Bewertungen aller Prüfenden eine Gesamtbeurteilung zusammen, die Sie dann den Studierenden rückmelden.
- Stellen Sie die Aufnahme auch dem jeweiligen Studenten/der jeweiligen Studentin zu (z.B. über das ILIAS-Objekt "SWITCHcast-Serie"), ggf. mit Ihren Beurteilungskriterien. Nehmen Sie sich ggf. sogar die Zeit, die Aufnahme gemeinsam anzuschauen und zu analysieren und der Studentin/dem Studenten Feedback zu geben (insbesondere im Fall eines formativen Assessments).
Beispiel:
Das Institut für medizinische Lehre der Universität Bern betreibt das Berner Interdisziplinäre Skills- und Schauspielpatientenzentrum BISS (http://biss.iml.unibe.ch/). Hier finden Sie diverse Angebote zur videografierten Patientengesprächen und Untersuchungen (http://biss.iml.unibe.ch/index.php?c=ivtinstallation&l=de) sowie diverse links zu Skillslabs andere Hochschulen (http://biss.iml.unibe.ch/index.php?c=links&l=de). Das Berner Bildungszentrum Pflege verfügt ebenfalls über einen Lernbereich Training und Transfer, bei dem Derartiges möglich ist (http://www.bzpflege.ch/berner-bildungszentrum-pflege/berner-bildungszentrum-pflege/lernbereich-training-und-transfer/profil).
Tool zur Umsetzung: SWITCHcast Serie
Nutzen Sie nach Möglichkeit das ILIAS-Objekt "SWITCHcast Serie" (auch in Moodle vorhanden). Dieses ermöglicht es Ihnen, den Studierenden die jeweils eigenen Videos einfach zur Verfügung zu stellen (dank der Möglichkeit, die hochgeladenen Videos ihren Besitzer/innen zuzuordnen) und die Videos selber zu analysieren resp. durch die Studierenden oder ihre Mitstudierenden analysieren zu lassen (dank dem Videoannotationsmodus). In diesem können Sie beispielsweise Ihre Beobachtungskriterien über die Bildung entsprechender Kategoriensets abbilden. Weitere Informationen zum Tool finden Sie hier.
Vorteile:
- Die Beurteilenden und die Studentin/der Student können die Aufnahme immer wieder anhalten und so genau überprüfen, wie die Qualität der jeweiligen Tätigkeiten im Detail ist.
- Der Student/die Studentin kann sich selber beobachten und wird so das Feedback und die Bewertung der Bewertenden besser nachvollziehen können.
- Auf der Basis der Videoaufnahme müssen nicht mehrere Prüfer/innen gleichzeitig der Tätigkeit zuschauen. Die Bewertung kann zeit- und ortsunabhängig erfolgen. Am einfachsten geschieht dies mit der "SWITCHcast Serie" in ILIAS/Moodle. Alternativ können Videos inzwischen auch gut komprimiert und via Mail versendet werden.
Nachteile:
- Der Aufwand ist erheblich. Wenn Sie allerdings Skillslabs zur Verfügung haben wie am IML oder am BZ Pflege in Bern, können Sie die dortige Infrastruktur auf Anfrage ggf. nutzen.
- Auch der Analyse- und Bewertungsaufwand ist erheblich. Aber der Nutzen ist auch dementsprechend hoch.
Formativ/summativ: Ursprünglich formativ, kann aber auch summativ eingesetzt werden.
Varianten:
- Lassen Sie die Studierenden sich gegenseitig auf Video aufnehmen und Feedback geben. Geben Sie Ihnen hierfür die Beurteilungskriterien und Feedbackregeln vor oder erarbeiten Sie sie mit ihnen gemeinsam. Nutzen Sie dazu das oben beschriebene Tool zur Videoanalyse.
- Lassen Sie die Studierenden Videoaufnahmen von ihren Tätigkeiten im Rahmen eines Praktikums oder bei einer Laborarbeit erstellen. Analysieren Sie diese gemeinsam mit Ihnen oder lassen Sie sie anhand definierter Kriterien und Feedbackregeln in kleinen Gruppen gegenseitig analysieren.
Passende Lernmethoden:
- Praktika
- Laborarbeit
- Arbeit im Skillslab, Ausüben zentraler berufspraktischer Tätigkeiten
Quelle:
Angelo, Thomas A. und Cross, Patricia K. (1988). Classroom assessment techniques: a handbook for college teachers. San Francisco: Jossey-Bass. Second edition. 226-230.